Orgel, Saxophon und ein James-Bond-Siegfried

Das Jazzduo Timm / Brockelt feiert 30 Jahre Bühnenjubiläum im Gewandhaus

Orgel und Saxophon im Duett und dann auch noch Komponisten wie Händel oder Bach verjazzt? Beim ersten Hören klingt das mindestens spannend. Aber neu ist es nicht. Denn das Jazzduo David Timm, an Orgel und Klavier, und Reiko Brockelt, am Saxophon und anderen Hölzern, zeigt seit 30 Jahren, dass aus dieser Kombination herrliche Musik entstehen kann. Am Samstagabend feierten sie im Rahmen von „Leipzig klingt weiter“ ihr Jubiläum im Großen Saal des Gewandhauses, zusammen mit einer Band und anderen Solisten, die ihre Bühnengeschichte geprägt haben. Bach beherrscht den ersten Teil des Abends. „Er war auch berühmt für seine Improvisationen“, erklärt Reiko Brockelt in sympathischen Moderationsblöcken. „Und daraus entstand unser Stück Piano Exercise, aus einer Klavierübung von Johann Sebastian Bach.“ Dieses Stück legt die Latte für den Abend hoch an. Und irgendwie werden es Timm, Brockelt und Gäste doch immer wieder schaffen, sie noch ein Stückchen höher zu legen. Universitätsmusikdirektor David Timm bereitet den Weg zur Improvisation ernsthaft, getragen, den bombastischen Klang der Gewandhaus-Orgel vor sich herschiebend. Und beinahe unmerklich, ganz langsam, werden Harmonien und Rhythmus immer swingiger, bis sich Brockelt in seine brodelnden Improvisationen stürzen kann, abgelöst von einer akrobatischen Bass-Improvisation, die Timm auf den Pedalen spielt. Jedes Stück birgt etwas Schelmisches, hat alle zugeknöpfte Ehrfurcht vor den Großen abgelegt – wie in der Elias-Samba, inspiriert von Mendelssohn. Brockelts Klarinette schwebt hier mühelos und luftballonleicht über der Band, immer weiter mitgerissen vom Samba-Rhythmus. Der artige Szenenapplaus im passabel besetzten Saal ist eigentlich zu schade für diese Musik, die vom Herzen durch den ganzen Körper geht. Doch auch der Applaus wird im Laufe des Abends immer ungehemmter. Michael Arnold betört mit seinem Saxophon an Brockelts Seite, ein ehemaliger HMT-Studienkollege des Duos. Alexander Bernhard setzt seine Trompete meisterhaft ein, gibt den Bearbeitungen etwas Wohliges. Einzig die beiden Auszüge aus dem Album „Inner Circle. Symphonic Expressions“ legen das Augenzwinkern ab, begeben sich in düstere, aufwühlendere Gefilde, zeigen: Timm und Brockelt können auch anders. Nach den Wagnerbearbeitungen, mit einem Siegfried, der auf einmal James Bond die Coolness streitig macht und einer laut Timm „albtraumhaften Träumerei“ von Schumann gibt es noch eine Händelzugabe mit „Lascia ch’io pianga“, und das Publikum muss das Duo und Gäste schweren Herzens gehen lassen. Pfiffe, Jubel, Begeisterung. Quellenangabe: Leipziger Volkszeitung vom 18.10.2021, Seite 23

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