Aus Bach mach Jazz

Reiko Brockelt und David Timm spielen in Tübinger Motette

… In der Motette gab es Crossover-Jazz mit Bach und Reger. Bachs Orgel-Präludium Es-Dur BWV 552,1 wurde in Timms „piano exercise“ zum Spielfeld für ausgelassene Saxophon-Tiraden und lustvoll überblasene Töne. Die Stiftskirchen-Orgel hatte hier einen regelrechten Hammond-Sound. Timms 2a-m-Samba“ überzeugte mehr, denn die Adaption entfernte sich stärker von ihrem Ausgangspunkt, Bachs Orgelfuge a-moll BWV 543,2. Die barocke Motorik, kombiniert mit lateinamerikanischen Tanzelementen, kam richtig ins Swingen. Auch wenn sich am Crossover traditionell Geister und Geschmäcker scheiden, riss die unbändige Spielfreude einfach mit.

Hinter dem formelhaften Titel WK I E verbarg sich eine Jazz-Variante von Präludium und Fuge E-Dur aus Bachs Wohltemperiertem Klavier Band 1 (BWV 856). Tatsächlich ist die chromatisch dahin schmelzende, quasi „blusige“ Harmonik schon bei Bach zu finden. Die nur angedeutete Fuge wurde hier zum schnellen Mittelteil, eine formal witzige Idee. Zum Lobpreis des 145. Psalms improvisierte das Duo: Aus dem Rufmotiv des Saxophons entwickelten sich arabeske Linien, die sich in der Orgel zu einem Klangteppich flirrender Töne verdichteten. Eine zweite Improvisation setzte Stück für Stück die Melodie des Gemeindelieds „Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist zusammen.

Regers „Benedictus“ op. 59/9 spielte Timm mit weichzeichnenden Registern, daran angeschlossen seine Jazz-Version „Osanna“. Auch hier bei Reger ist manches Jazzige bereits angelegt.

Wirklich beeindruckend war Timms Choralbearbeitung „Verleih uns Frieden gnädiglich“. Über einen Donnergrollender Orgel mit schwer rollenden Glissandi in der Tiefe erhob sich das Kirchenliedleise im Saxophon. Das hatte Atmosphäre und Intensität. Reizvoll die klagenden Abwandlungen der Melodie, die dramatische Steigerung.

Bachs berühmte d-moll Tocatta BWV 565 wurde zuletzt verwandelt in „d-m-swing“ und „d-m-Samba“. Auch das hatte Witz. Schmissig die synkopischen Loopings im Saxophon. Die perkussiven, tiefen Orgelrhythmen klangen fast nach Pauken oder Trommeln…

Schwäbisches Tageblatt vom 5.6.1212 (ach)

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